Heft 17 (2011)

Über Gott und ReligionCover Heft 17 (2010)

Inhalt
Pirmin Stekeler-Weithofer: Der Gottmensch. Zur Philosophie der christlichen Religion
Thomas Wendt: Weltanschauung und kooperatives Handeln. Historisches und Systematisches zum Verhältnis von Marxismus-Leninismus und Christentum – Paradigmatisches zum Vergleich konkurrierender Weltanschauungen
Henning Tegtmeyer: Probleme der analytischen Religionsphilosophie. Dargestellt am Beispiel zweier neuerer Versuche, die Existenz Gottes zu beweisen
Rezension: Vorbild und Moralprinzip. Rez. zu: Richard Raatzsch: Autorität und Autonomie. Paderborn 2007 (von Lars Osterloh)

Editorial

Nach langer Pause erscheint PHILOKLES diesmal in veränderter Gestalt. Künftig sollen neben die bereits etablierte Form der philosophischen Diskussion aus Text, Kommentaren und Replik auch andere Formen der Präsentation philosophischer Debatten treten, u.a. die Zusammenstellung verschiedener Essays zu einem gemeinsamen Thema. In diesem Sinne werden hier drei Aufsätze zum Thema Religion zu einem Heft zusammengestellt. Außerdem ändert sich die Erscheinungsweise des Heftes. PHILOKLES wird in Zukunft als Online-Zeitschrift veröffentlicht. Dabei ändert sich auch die Zählung. Sie erfolgt künftig nicht mehr nach Jahrgängen, sondern fortlaufend. Das vorliegende Heft ist Philokles Nr. 17. (Heft 1 erschien übrigens vor zwölf Jahren, im Januar 1998.)
Das Thema des vorliegenden Heftes ist das Verhältnis der Religion zu Wissenschaft und Philosophie. Das Verhältnis von Religion, Theologie und Wissenschaft ist bekanntlich schwierig. Die Philosophie hat irgendwann die Seite gewechselt. War sie im Mittelalter noch ancilla theologiae, möchte sie heute bei den (Natur-)Wissenschaften in Dienst treten und verleumdet ihre frühere Herrin.
Pirmin Stekeler-Weithofer erinnert an den philosophischen Kern der christlichen Religion, wobei er, durchaus in der Tradition Feuerbachs, versucht, religiöse und theologische Kategorien sprachphilosophisch als Vergegenständlichungen von Worten und Ideen zu deuten, in Analogie zu Hypostasierungen in anderen Redebereichen, nicht zuletzt in den Wissenschaften selbst.
Dass man die religiösen und letztlich metaphysischen Kategorien nicht unbedingt als bloße Hypostasierungen auffassen muss, zeigen die Überlegungen Thomas Wendts. Sein Aufsatz reflektiert aus der Warte eines in der DDR sozialisierten Marxisten und Christen das Verhältnis von Materialismus und Religion als zweier sich scheinbar ausschließender Weltanschauungen. Beide zeigen jedoch bei genauerem Hinschauen gerade hinsichtlich der Realexistenz metaphysischer Prinzipien und der damit verbundenen positiven Antworten auf die Frage nach absoluter Wahrheit erstaunlich übereinstimmende Überzeugungen. Die offensichtlichen Gegensätze betreffen mithin nicht die Möglichkeit, sondern den bestimmten Gehalt der richtigen Auffassung des Seins und seiner Strukturen.
Der Beitrag von Henning Tegtmeyer zeigt, dass die Gegenstände religiösen und theologischen Denkens noch immer große Anziehungskraft auf das Denken ausüben, selbst auf die für ihre antimetaphysische Grundhaltung bekannte analytische Philosophie. Am Beispiel der Arbeiten von Alvin Plantinga und Richard Swinburne, welche sich anschicken, mit den Mitteln der modernen Logik und Wissenschaftstheorie die Existenz Gottes zu beweisen, stellt er die Hilflosigkeit dieser Art von Philosophie im Umgang mit metaphysischen Fragen heraus.

Henning Tegtmeyer

 

Heft 16 (2007)

Die Möglichkeit von FreiheitCover Heft 16 2007

Inhalt

Peter Heuer: Der Weg aus der Determinismusfalle

Kommentare

Katinka Schulte-Ostermann: Freiheit in einer determinierten Welt

Lars Osterloh: Der Schlüssel zur Freiheit?

Lu De Vos: Freiheit in den Determinationsfallen

Frank Kannetzky: Determinationen, die nicht zählen. Ein grundbegrifflicherKommentar zur Freiheitsdebatte

Replik

Leseprobe

Ret Marut: Der Ziegelbrenner. Ausgewählt von Frank Kannetzky und eingeleitet von Peter Heuer

Rezensionen

Zukunft durch empraktisch-kritisches Selbstbewusstsein. Zu: Konstanze Schwarzwald et al. (Hg.): Kritik-Entwürfe. Beiträge nach Foucault. Berlin 2006.(Christian Kögler)

 

Damit es nicht beim Verlangen bleibt. Zu: Thomas Buchheim: Unser Verlangen nach Freiheit. Kein Traum, sondern Drama mit Zukunft.Hamburg 2006. (Peter Heuer)

Kolumne

Christof Forderer: Dionysisches Wählen, apollinisches Regieren

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Editorial

Angriffe auf die Idee menschlicher Freiheit sind letztlich so alt wie die Philosophie. Das antike Denken ließ sich von der Vorstellung einer kosmischen, unpersönlichen ananke, einem fatum oder Schicksal beeindrucken,dem die Menschen unentrinnbar und unabhängig von ihrem Wollen und Entscheiden unterworfen sein sollen. Das nachantike, monotheistische Denken rang mit der Idee eines den menschlichen Willen determinierenden allmächtigen Gottes. Die christliche Philosophie hat den theologischen Determinismus aber schon früh als häretisch verworfen, und weder Judentum noch Islam haben ihn jemals wirklich akzeptiert. So blieb es der Neuzeit vorbehalten, einen die menschliche Willensfreiheit gänzlich negierenden materialistischen Determinismus auszuarbeiten, zunächst allerdings als polemisch-satirisch oder ironisch gebrochene Außenseiterposition wie bei La Mettrie und Holbach. Die eigentliche Blütezeit der philosophischen Leugnung von Willensfreiheit war erst das 19. Jahrhundert; Schopenhauer hat sie prägnant formuliert und wurde später publikumswirksam unterstützt von der sich neu etablierenden Psychologie und Psychopathologie. Vorschläge zu einer umfassenden Umstellung aller Bildungs-, Rechts- und Strafinstitutionen von einem freiheitsbasierten auf ein deterministisches Menschenbild wurden bereits damals gemacht und leidenschaftlich diskutiert. Leser Tolstois kennen die Debatten.
Mit ganz ähnlichen Argumenten und Forderungen, doch gestützt auf neuartige Untersuchungsmethoden versuchen derzeit einige bekannte Hirnforscher und Philosophen zu zeigen, dass der Mensch keinen freien Willen besitzt. Doch die Richtigkeit ihrer Thesen kann – heute nicht anders als damals – letztlich nur a priori entschieden werden, durch Philosophie, nicht durch Hirnforschung. Die Wurzel des modernen Determinismus ist der Materialismus. Peter Heuer greift deshalb in seinem Beitrag den Materialismus als solchen an und versucht zu zeigen, dass schon Lebewesen, obwohl materiell verfasst, nicht denselben deterministischen Naturgesetzen unterworfen sein können wie unbelebte Materie und dass infolgedessen ein uniformer Determinismus nicht einmal als allgemeines Prinzip der Naturwissenschaften taugt. Letztlich will Heuer die menschliche Freiheit so auf ein breiteres ontologisches Fundament stellen. Dieser Versuch steht im Mittelpunkt einer hier dokumentierten kontroversen Diskussion. Die Leseprobe erinnert an Ret Marut alias B. Traven, einen ganz anders orientierten publizistischen und politischen Verteidiger menschlicher Freiheit.

Henning Tegtmeyer

Heft 15 (2006)

Grundlagen der GerechtigkeitCover Heft 15 2006

Inhalt

Haupttext

Felix Ekardt: Grundlagen der Gerechtigkeit. Eine neue diskursrationale Konzeption

Kommentare

Olaf Miemiec: Gerechtigkeit bei Felix Ekardt. Eine Diskussionsbemerkung

Konrad Ott: Ein neuer Stern am Firmament?

Markus Wolf: Braucht die gerechte Grundordnung eine „transzendentale“ Begründung?

Replik

Leseprobe

Platon, Der Staat – ausgewählt und vorgestellt von Henning Tegtmeyer

Rezensionen

Die eigene Fremde. Zu: Rahel Jaeggi: Entfremdung, Arnd Pollmann

Entführung ins philosophische Abendland. Zu: Hartmut Sommer, Der philosophische Reiseführer, Peter Heuer

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Editorial

Gerechtigkeit ist ein Zentralbegriff moralischen, rechtlichen und politischen Denkens. Was Moral oder Recht sind und worum es in der Politik geht, lässt sich nicht begreifen ohne eine Idee von Gerechtigkeit. Dass große Teile der heutigen Politik- und Sozialwissenschaften das anders sehen, ist bekannt, stärkt aber nicht die Überzeugungskraft ihrer Theorien. Ob sich die Idee der Gerechtigkeit aber sinnvoll in die Gestalt einer Gerechtigkeitstheorie bringen lässt, ist umstritten, nicht erst seit John Rawls‘ Theorie der Gerechtigkeit (1971). Nach welchen Kriterien ließe sich die Angemessenheit einer solchen Theorie überhaupt beurteilen? Genügen unsere Intuitionen, oder müssen sich diese ihrerseits im Licht der Theorie korrigieren lassen?

Rawls selbst wirft diese Fragen in seinem Werk auf, beantwortet sie aber nach Ansicht vieler Kritiker nicht befriedigend. In der deutschsprachigen Philosophie hat man daher lange Zeit eine andere Strategie der theoretischen Fundierung von Debatten über das Gerechte und das Ungerechte verfolgt. Man müsse sich, so hieß es hier, als Theoretiker gar nicht anmaßen, selbst zu bestimmen, worin Gerechtigkeit besteht. Man begnüge sich vielmehr damit, Bedingungen zu formulieren, denen solche Debatten genügen müssen, damit man sagen kann, dass ihre Ergebnisse akzeptabel sind. So reduziert man gewissermaßen die relativ komplexe Idee der Gerechtigkeit auf die relativ einfache Idee einer gerechten Debatte und lässt ansonsten den Diskurs für sich selbst sorgen. Das ist – stark vereinfacht – die Grundidee der Diskursethik, wie sie zunächst von Karl-Otto Apel und Jürgen Habermas entwickelt und dann von zahlreichen Anhängern und Schülern aufgegriffen und gegen skeptische Einwände aller Art verteidigt wurde.

Mittlerweile ist es still um diese Theorie geworden. Selbst mancher frühere Anhänger hält sie mittlerweile für zu formal und strebt nach ’substantielleren‘ Gerechtigkeitstheorien, studiert also eher Rawls oder Marx als Apel oder Habermas. Felix Ekardt hingegen versucht hier, die Diskursethik durch eine Klärung ihrer Grundlagen zu revitalisieren und für neue Anwendungen in der Umwelt- und Nachhaltigkeitsethik zu öffnen. Ob ihm dies gelingt, wird im Heft kontrovers diskutiert.

Radikal anders als alle klassisch modernen Theorien der Gerechtigkeit setzt Platon in der Politeia an. Wie, das zeigt unsere Klassiker-Leseprobe,die schon allein um des Kontrastes willen in dieses Heft gehört.

Heft 14 (2005)

Zwischen Führerkult und Mängelwesen

Zur Aktualität Arnold Gehlens

Frank Kannetzky und Henning Tegtmeyer (Hg.)

 

Inhalt

Interview

Cover Heft 14 2005

„Ordnung ist kein Gefängnis“. Zu Leben und Werk Arnold Gehlens. Karl-Siegbert Rehberg im Gespräch mit PHILOKLES

 

Beiträge

Patrick Wöhrle: Handlung bei Arnold Gehlen – Schlüsselprinzip oder „Schlüsselattitüde“?

Frank Kannetzky: Person, Handlung und Institution. Arnold Gehlens Beitrag zu einer Theorie der Personalität

Christian Thies: Moral bei Gehlen. Anthropologische, zeitdiagnostische und ethische Überlegungen

Michael Hog: „Netzhaut-Optizismus“ und Entlastung – Ästhetische Aspekte der Anthropologie, anthropologische Aspekte der Ästhetik im Werk Arnold Gehlens

Wolfgang Luutz: Territorialität und Institutionalität. Zum Raum der Institutionen bei Arnold Gehlen

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Vorwort

Dieses Heft des Philokles ist aus dem Symposium „Zwischen Führerkult und Mängelwesen. Zur Aktualität Arnold Gehlens“ hervorgegangen, welches anlässlich des 100. Geburtstags Gehlens vom Ethos e.V. in Zusammenarbeit mit dem Institut für Philosophie der Universität Leipzig ausgerichtet wurde.

Arnold Gehlen ist, wo sein Werk gegenwärtig nicht gänzlich ignoriert wird, umstritten wie kaum ein zweiter. Anlass dazu geben sowohl seine Biographie als auch sein Werk. Da sich Gehlen nicht scheute, zu politischen Zeitfragen Stellung zu nehmen, droht die philosophische Würdigung und Kritik seines Werkes und damit auch sein philosophisches Anliegen hinter der eher politisch motivierten Kritik zu verschwinden. Insbesondere aber seine Weigerung, sich der eigenen Nazi-Vergangenheit zu stellen, führte zur Isolation Gehlens. Dabei bleiben allerdings interessante und z.T. hochaktuelle Thesen und Forschungsansätze seiner Anthropologie und Institutionenlehre unbeachtet. Wir meinen, zu unrecht.

Neben der Benennung Gehlenscher Positionen und ihrer Überschneidungen mit Gedanken etwa aus dem Umfeld der Frankfurter Schule oder der Systemtheorie, wäre nach der Berechtigung sowohl der Ignoranz gegenüber Gehlen als auch der Kritik an ihm fragen, vor allem aber, welchen Gewinn uns die Beschäftigung mit Gehlens Werk heute bringen kann. Diesen Fragen gehen die Beiträge des neuen PHILOKLES nach.

Das Heft weicht diesmal vom üblichen Aufbau (Haupttext und Diskussion) ab, ein thematischer Fokus bleibt aber erhalten, und, wie wir meinen, genügend Kontroversen auch.

Frank Kannetzky und Henning Tegtmeyer

Heft 13 (2004)

MarxCover Heft 13 2004

Inhalt

Interview

Interview mit Helmut Seidel: „Wir pflanzen keine dogmatische Fahne auf“ – Zur Aktualität von Marx

Haupttext

Olaf Miemiec: Überlegungen zur Herrschaftskritik von Marx

Kommentare

M. Iorio: Herrschaftskritik bei Marx und Miemiec

R. Raatzsch: Romantik und Kritik

W. Luutz: „Legitime Herrschaft“ auf schwankendem Grund. Herrschaftskritik in der Herrschaftsfalle

P. Grönert: Ist Marx’ Herrschaftskritik widersprüchlich?

R. Jaeggi: Weder Hobbes noch Bakunin

F. Kannetzky: Kooperation, Herrschaft, Utopie

Replik

Leseprobe

Paul Lafargue, Das Recht auf Faulheit. Widerlegung des „Rechts auf Arbeit“ von 1848 – ausgewählt und vorgestellt von Frank Kannetzky

Rezension

Anerkennen – Erkennen – Verkennen. Zu: Axel Honneth: Unsichtbarkeit. Stationen einer Theorie der Intersubjektivität. Frankfurt a.M. 2003 (Robin Celikates)

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Editorial

Dass Totgesagte länger leben, hätten auch diejenigen wissen können, die vor fünfzehn Jahren dem Denken von Karl Marx den Totenschein ausstellten. Jede weitere Beschäftigung mit Marx galt nicht bloß als fortan obsolet, sondern als geradezu anrüchige Komplizenschaft mit totalitärem Denken. Wie schnell sich die Zeiten ändern. Mittlerweile haben viele denkende Beobachter des globalisierten ökonomischen Geschehens den Eindruck, dass bis heute keine ökonomische Theorie der freien Marktwirtschaft der Marxschen an Übersicht, Gründlichkeit und Scharfsinn gleichkommt. So könnte es scheinen, als habe das Zeitalter des Marxismus gerade erst begonnen.

Diese Entwicklung ist durch den Zusammenbruch des Systems sozialistischer Staaten in Osteuropa und Asien erst möglich geworden, der nicht zuletzt auch eine Befreiung des politischen Denkens mit sich brachte, trotz der Phase kollektiver geistiger Lähmung in den Neunziger Jahren. Marx stand seit dem Oktober 1917 im immer länger werdenden Schatten Lenins und dann Stalins; ironischerweise tritt er aus diesem Doppelschatten jetzt heraus. Einer, der sich schon vor fast vierzig Jahren dafür eingesetzt und sich deswegen großen Schwierigkeiten ausgesetzt hat, ist der Leipziger Philosophiehistoriker Helmut Seidel, der sich im Gespräch mit PHILOKLES an die Kämpfe um ein nicht marxistisch-leninistisches Marxbild in der DDR erinnert.

Nun ist Marx alles andere als ein unproblematischer Autor. Der Status seines Geschichtsdenkens, die moralischen Voraussetzungen und impliziten utopischen Hoffnungen seiner ökonomischen Kritik, die so in Spannung stehen zu seiner Absage an einen moralischen Kathedersozialismus und einen utopischen Kommunismus, beschäftigen die Marxrezeption von jeher. Welche besondere, bisher selten problematisierte Rolle seine Herrschaftskritik spielt, untersucht jetzt Olaf Miemiec, z.T. im Anschluss an Raymond Geuss. Die Leseprobe erinnert an Paul Lafargue, den Schwiegersohn von Karl Marx und radikalen Kritiker der Arbeitsgesellschaft, die noch immer die unsere ist. Die Rezension stellt eine neue Publikation von Axel Honneth vor, dem derzeit wohl namhaftesten deutschen Sozialphilosophen aus der ‚Frankfurter Schule‘, für die ein kritischer und unideologischer Umgang mit Marx schon immer selbstverständlich war. Totgesagte leben länger; verkehrte Verteufelungen haben so wenig Bestand wie falsche Glorienscheine. Auch das ist wohl eine Lehre aus der unvoreingenommenen Auseinandersetzung mit Karl Marx heute.

Henning Tegtmeyer

Heft 12 (2003)

KriegCover Heft 12 2003

Aus dem Inhalt

Interview

mit Georg Meggle: „‚Terrorismus‘ ist ein Kampfbegriff“

Haupttext

Ulrike Kleemeier: Der Krieg als Gegenstand philosophischen Denkens

Kommentare

von F. Dietrich, D. Meßelken, P. Stekeler-Weithofer und M. Wolf

Henning Tegtmeyer: Denken und Handeln. Nach dem Terror im Feuilleton

Das Heft zum Download

 


Editorial

Die Welt, in der wir leben, ist nicht friedlich. Das Ende jenes vierzigjährigen bedrohlichen Friedens, den man den ‚Kalten Krieg‘ nannte, hat der Menschheit nicht wie erhofft ein Ende der Geschichte von Kriegen und politischer Gewalt gebracht. Im
Gegenteil. ‚Neue Kriege‘ (Herfried Münkler) destabilisieren weite Teile der Welt, alte Konflikte wie der zwischen Indien und Pakistan drohen zu eskalieren, da kein Gleichgewicht überlegener Mächte sie mehr in Schach hält. Hinzu kommt seit dem 11.9. 2001 ein sich beständig ausweitender ‚Kampf‘ bzw. ‚Krieg gegen den Terror‘. Das
kriegsmüde Europa steht vor der immensen Schwierigkeit, seine Position in dieser Welt(un)ordnung zu finden.

Was immer Philosophie in einer solchen weltpolitischen Lage zu leisten vermag, eines kann sie sicher nicht: die politischen Probleme lösen, welche diese Situation herbeigeführt haben. Doch sie kann uns zumindest helfen, sie überhaupt zu verstehen, indem sie versucht, verstehensnotwendige Grundbegriffe zu erhellen. Das ist die angestammte Aufgabe politischer Philosophie.

Nun zeigt sich, dass wir (noch) in einer Welt leben, in der zu einer gründlichen politischen Philosophie auch eine Philosophie des Krieges gehört. Eine solche Philosophie des Krieges wird allerdings über die Binsenweisheit hinausgehen müssen, dass Krieg ‚im Prinzip‘ ein Übel, ‚in der Praxis‘ aber manchmal unvermeidlich ist. Sie wird sich ferner nicht damit begnügen, Bedingungen zu formulieren, unter denen ein Krieg gerecht(fertigt) sein kann. Vielmehr wird sie versuchen, das Wesen des Krieges selbst in seiner Vielgestaltigkeit zu begreifen. Das jedenfalls fordert Ulrike Kleemeier. Sie plädiert für eine Philosophie des Krieges im Geist von Thukydides, Hobbes, Spinoza oder Clausewitz.

Georg Meggle geht im Interview dem Problem der richtigen Beurteilung politischer Gewalt, insbesondere politischen, auch staatlichen Terrors nach.

Eine ausführliche Leseprobe aus Carl von Clausewitz’ klassischer Theorie des Krieges und eine Rezension zu Jonathan Glovers philosophischer Geschichte der politischen
Menschheitsverbrechen im 20. Jahrhundert beleuchten auf je eigene Weise den Zusammenhang von Krieg, Politik und Moral. Dabei zeigt sich, dass sich das philosophische Nachdenken über den Krieg Moralblindheit ebenso wenig leistenkann wie ein naives Moralisieren.

Henning Tegtmeyer

Heft 11 (2002/1)

Sport

Cover Heft 11 2002-2

Aus dem Inhalt

Interview

mit Wilhelm Schmid: „Man kann eine Philosophie haben, auch ohne Philosoph zu sein.“

Haupttext

Volker Caysa: Sportphilosophie als kritische Anthropologie des Körpers

Kommentare

von F. Bockrath, C. Pawlenka und V. Schürmann

Das Heft zum Download


Editorial

„Was ist und zu welchem Ende betreibt man Sportphilosophie?“ Das ist, frei nach  Schiller, Thema dieser Ausgabe von PHILOKLES. Die Frage drängt sich auf. Denn beim ersten Hören klingt der Ausdruck ‚Philosophie des Sports‘ ähnlich abwegig wie ‚Philosophie des Backens‘ oder ähnlich anmaßend wie die sattsam bekannten Konzepte so genannter ‚Unternehmensphilosophie‘. Beim Sp

ort scheint es sich ja um eine maximal philosophieferne Praxis zu handeln. Aus Volker Caysas Sicht ist das auch tatsächlich so, allerdings zum Schaden des Sports. In der Sportpraxis ist, so Caysas Diagnose, noch immer weitgehend unbemerkt geblieben, welche Rolle der Sport in unserer heutigen Lebenswirklichkeit spielt, nämlich einzuführen in eine neue Körperkultur, die zunehmend auch außerhalb des Sports für unsere Identität und unsere Selbst- und Körperverhältnisse bestimmend wird. Eben das macht den Sport für die philosophische Anthropologie interessant.

Weil diese sportbedingten  kulturellen Veränderungen im Sport selbst jedoch nicht oder kaum bemerkt werden, trägt die Sportpraxis in vielerlei Hinsicht anachronistische Züge. Anachronismen werden greifbar in den vieldiskutierten und von der traditionellen Sportpraxis nicht lösbaren Dauerproblemen des heutigen Sports, allen voran den Problemen rund ums Doping. Die bestehende Sportpraxis scheint Doping einerseits geradezu zu erzwingen, andererseits aber ächten zu müssen. Solche Überlegungen lassen Sportphilosophie, insbesondere Sportethik, für den Sport selbst interessant werden.

Eine neue philosophische Disziplin wie die Philosophie des Sports wirft naturgemäß viele Fragen auf, z.B. nach Umfang und Inhalt des Sportbegriffs und nach dem genauen Ort philosophischer Reflexion und Kritik. Solcherlei Fragen werfen F. Bockrath, C.  Pawlenka und V. Schürmann in ihren kritischen Kommentaren auf.

Im Interview mit W. Schmid geht PHILOKLES dem Verhältnis von Sport und Lebenskunst nach,  während K. Schwarzwald in einer Rezension auf die extreme Sport- und Abenteuerpraxis Reinhold Messners aufmerksam macht, der für Caysa und Schmid Avantgardist einer neuen Lebens- und Körperkultur ist. Unsere Leseprobe führt uns auf den Spuren Pindars in die in hohem Maße vom Sport geprägte Kultur des antiken Griechenland, die neben dem Sport auch die Philosophie hervorgebracht hat.

Henning Tegtmeyer

Heft 10 (2002/1)

Feministische Philosophie

Aus dem InhaltCover Heft 10 2002/1

Interview

mit Ilse Nagelschmidt zur Genderforschung in Leipzig

Haupttext

María Isabel Peña Aguado: Dame und (oder) femme de lettres. Über intellektuelle Frauen und ihre Räume.

Kommentare

von N. Psarros, U. Wessels, F. Fellmann, B. Schmitz und B. Kremberg

Kolumne

P. Stekeler-Weithofer: Die Lust am Ausnahmezustand.

Heft 10 2002 1 Feministische Philosophie


Editorial

Wenn Philosophie diejenige Wissenschaft ist, die auf unsere Begriffe, Theorien und Denkfiguren reflektiert, kann es dann eine spezielle Philosophie für Frauen geben? Wohl kaum. Metastufige, abstrakte Überlegungen sind unabhängig von Glaube, Geschlecht und Nation. Auch würde feministische Philosophie auf kein so breites Interesse stoßen können, wenn darunter lediglich ein ideologisches Programm zu verstehen wäre, Rüstzeug für den Kampf der Geschlechter. Insofern ist die Bezeichnung irreführend. Nach Meinung der meisten Autorinnen und Autoren, die in diesem Heft für PHILOKLES diskutiert haben, sollte diese Philosophie nach ihrem Analysegegenstand, der Geschlechterdifferenz, heißen. Es waren allerdings vorwiegend Frauen, die sich ans Analysieren machten und besonders die Rolle des weiblichen Geschlechts untersuchten. Zu Beginn der Debatte erzählt María Isabel Peña Aguado von den Schwierigkeiten, die Frauen zu allen Zeiten hatten, um sich privaten Freiraum für intellektuelle Betätigung und einen angemessenen  Platz im geistigen Leben der Öffentlichkeit zu erkämpfen. Stets wurden sie dabei mit ihrer Weiblichkeit konfrontiert, in einer Art, wie dies ihren Zeitgenossen in Bezug auf ihre Männlichkeit nicht widerfuhr. Den meisten der Mitdiskutanten reicht dieser Befund nicht aus. Nikos Psarros findet das Verhältnis zwischen Öffentlichem und Privatem nicht genau genug bestimmt. Ulla Wessels vermisst eine Analyse des Begriffs des Weiblichen. Ferdinand Fellmann meint, dass feministische Philosophie nach dem Vorbild der Phänomenologie einen besonderen weiblichen Blick auf die Dinge entwickeln sollte, und stellt wie Bettina Schmitz fest, dass man es sich zu einfach macht, wenn man Männer nur als Täter und Frauen nur als Opfer sieht. Beide Rollen müssen immer aus dem gesellschaftlichen Gesamtgefüge heraus verstanden werden. Bettina Kremberg weist darauf hin, dass Frauen heute formal gleichgestellt sind, und erklärt faktisch noch immer verbreitetes Unterordnungsverhalten von Frauen unter Verweis auf internalisierte Normen. Ergänzt wird das Heft durch ein Interview mit Ilse Nagelschmidt, die aus ihrer Praxis als Frauenforscherin und Gleichstellungsbeauftragter berichtet, durch eine Leseprobe, in der María Isabel Peña Aguado an Christine de Pizans (1364-1430) „Buch von der Stadt der Frauen“ erinnert, und eine Rezension Kristin Wojkes zum Werk der amerikanische Philosophin Judith Butler. Die Kolumne schrieb Pirmin Stekeler-Weithofer. Aus gegebenem Anlass denkt er über unsere seltsame Lust am  Ausnahmezustand nach.

Peter Heuer

Heft 9 (2001/2)

Der Mensch als nackter Affe

EditorialCover Heft 9 2001/2

Als der amerikanische Zoologe Desmond Morris 1967 sein Buch Der nackte Affe veröffentlichte, löste er damit noch einen Aufschrei kollektiver Entrüstung aus. Man empfand es als empörend, wie Morris den Menschen als triebgesteuertes Tier darzustellen versuchte. Heute wäre es wohl nicht mehr möglich, mit solchen Thesen eine vergleichbare Aufregung hervorzubringen. Wir haben uns Morris’ biologistisches Menschenbild mittlerweile stillschweigend zu eigen gemacht. Wir gehen dazu über, uns selbst als Tiere zu verstehen. Die Konsequenzen, die wir daraus ziehen, sind unübersehbar und reichen von der rein genetischen Erklärung von Intelligenz und Kriminalität bis zur Forderung nach Menschenrechten für Primaten. Das jedenfalls ist die These, die Peter Heuer in dieser Ausgabe des PHILOKLES vertritt. Die Widerworte stammen von Nikos Psarros, der sich ein deutlicheres eigenes Menschenbild Heuers wünscht, von Felix Rauschmayer, der die Möglichkeit von Anthropologie angesichts der Vielfalt von Perspektiven auf den Menschen grundsätzlich skeptisch beurteilt, von Bettina Relke, die die Medizin gegen den Vorwurf, den Menschen einseitig zu sehen, in Schutz nimmt, sowie von Martin Schlegel, der die Berechtigung eines biologischen Menschenbildes gegen den Biologismus ebenso  verteidigen möchte wie gegen einen überzogenen philosophischen Anti-Biologismus. Unterstützt wird Heuers These hingegen indirekt von Sven Hansen, der die Ausstellung Körperwelten besucht hat und seine Eindrücke schildert. Übrigens: Man kann gegen die Gleichsetzung von Menschen mit Menschenaffen sein und sich trotzdem für den Schutz von Primaten einsetzen. Das meint jedenfalls Michael Tomasello, der PHILOKLES von den faszinierenden Ergebnissen des Vergleichs von Primaten- und Kleinkindverhalten erzählte. Dass Wissenschaftsgläubigkeit, Biologismus und Materialismus keine ganz neuen Phänomene sind, zeigt ein Blick in unsere Leseprobe, in der Jean Paul ganz ähnliche Theorien seiner gelehrten Zeitgenossen bis ins Absurde und damit zu Ende denkt. Wie man es in der Anthropologie besser macht, hat Wilhelm Kamlah vorgeführt, an dessen anthropologisches Werk von 1973 Heuer in einer Rezension  erinnert. Bereichert wird unser Heft diesmal durch Skizzen und Entwürfe von Gunther Bachmann, in denen er versucht, eine ganz eigene Sicht auf den Zusammenhang und die Spannungen zwischen Philosophie und Naturwissenschaften zu entwickeln.

Henning Tegtmeyer

Aus dem Inhalt

Interview

mit Michael Tomasello: „Sie zeigen nur auf Dinge, die sie haben wollen“ – Kognition bei Menschen und Menschenaffen.

Haupttext

Peter Heuer: Der Mensch als nackter Affe. Eine kritische Betrachtung des naturwissenschaft- lichen Menschenbildes.

Kommentare

von N. Psarros, F. Rauschmayer, B. Relke und M. Schlegel

Kolumne

S. Hansen: Körperwelten

Heft 9 2001 2 Der Mensch als nackter Affe

Heft 8 (2001/1)

Religiöses Denken

Editorial Cover Heft 8 2001/1

Es sind erst wenige Tage vergangen, seit Christen in aller Welt das Osterfest begangen haben. Fragt man, was denn hier Jahr für Jahr gefeiert wird, so ist die Antwort in einem Sinne klar: Gefeiert wird die Auferstehung Jesu Christi, des Sohnes Gottes. In einem anderen Sinn ist sie durchaus nicht klar bzw. nur so klar, wie die Rede von Auferstehung, von Gott und von seinem Sohn eben ist. Hier setzt Religionsphilosophie an, bei der Frage nach der Bedeutung religiöser Rede und religiöser Praktiken. Hier setzt auch Eckhart Friedrich im vorliegenden PHILOKLES an. Dass diese Frage der nach der ‚Wahrheit‘ religiöser Rede, etwa nach der Existenz Gottes, nicht nur vorausgeht, sondern auch inhaltlich die radikalere Frage ist – das beweisen Friedrichs Überlegungen und das kontroverse Echo, das sie bei seinen Mitdiskutanten hervorgerufen haben. Friedrichs Thesen werden teils direkt negiert (van den Bossche, Großhans), teils auf möglicherweise problematische Voraussetzungen befragt (Rentsch), teils auch mit alternativen oder ergänzenden Konzepten erwidert (Herrmann, Sorrentino). Wie schon in den vorausgegangenen Ausgaben mag mancher sich auch dieses Mal ein Fortsetzungsheft wünschen, in dem den vielen Anregungen und offenen Fragen nachgegangen würde.
Als eine Art von Warnung sei an dieser Stelle gesagt, dass eine Zeitschrift für populäre Philosophie nicht immer auch sprachlich populär ausfallen muss. Dies ist bei vorliegender Ausgabe sicher nicht der Fall. Statt dessen wird dem Leser Einblick in eine – wie wir meinen, relevante – Werkstattdebatte heutiger Religionsphilosophen geboten.
Ein PHILOKLES über Religion wäre unvollständig ohne das Thema Religionslosigkeit und Atheismus. Wir sprachen darüber mit der Religionssoziologin Monika Wohlrab-Sahr. Abgerundet wird das Heft durch einen Lesevorschlag zu Franz Overbeck, der heute zu Unrecht bloß noch als Freund Friedrich Nietzsches im kulturellen Gedächtnis überdauert hat, nicht aber als eigenständiger und zum Teil origineller Theologe und Philosoph.

Henning Tegtmeyer

Aus dem Inhalt

Interview

mit Monika Wohlrab-Sahr zur Religionslosigkeit in Ostdeutschland

Haupttext

Eckhart Friedrich: Gottesgedanke und christlich interpretierte ‚Wirklichkeit des Heils‘: Philosophische Bemerkungen zur Bedeutung von ‚Realität Gottes‘.

Kommentare

von S. van den Bossche, H.-P. Großhans, T. Rentsch, E. Herrmann und S. Sorrentino

 

Heft 8 2001 1 religiöses Denken